Genug vom Mutterland

Kataloniens Abspaltungslust könnte auch andere Regionen ermutigen. Wer im europäischen Raum alles nach Unabhängigkeit strebt. 30 Beispiele.

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22 Gebiete mit Sezessionsbestrebungen
8 Gebiete vollzogen die Sezession
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Katalonien ist überall. Die Unabhängigkeitsbewegungen Europas wittern ihre Chance, Zulauf erhielten sie bereits in den letzten Jahren. Und sie scheuen sich nicht vor Konflikten mit den Zentralregierungen, insbesondere in Spanien, Grossbritannien, Belgien und Italien. In den norditalienischen Regionen Lombardei und Venetien haben sich die Bürger bei Referenden für mehr Autonomie ausgesprochen. Virulent verläuft der Katalonien-Konflikt. Madrid droht Barcelona mit harten Massnahmen, falls die katalanischen Abspaltungspläne nicht ad acta gelegt werden. Immer noch bewaffnet ist der Konflikt in der Ostukraine. Seit 2014 herrscht Krieg im Donbass.

«Separatismus ist der Halbbruder von Nationalismus und Isolationismus», kommentierte die «Süddeutsche Zeitung». «Alle drei Spielarten der Igel-Politik eint das tiefe Bedürfnis nach Eigenständigkeit und Autarkie. Die Loslösung von der übrigen Welt scheint etwas Tröstliches zu bieten: Sicherheit, Überschaubarkeit, Selbstbestimmung.» Ob separatische Bewegungen im Erfolgsfall ihre grossen Versprechungen tatsächlich einlösen könnten, ist allerdings alles andere als klar.

Wir haben für Sie eine Übersicht der wichtigsten Autonomiebewegungen und De-facto-Sezessionen im europäischen Raum zusammengestellt.

Intensität des Konflikts

Einschätzung der Autoren

Kurdengebiete

Türkei

Keine Angaben zum BIP

14% der Einwohner

In der Türkei leben 10 bis 12,5 Millionen Kurden. Die türkische Regierung lehnt eine Abspaltung der Kurdengebiete im Südosten des Landes kategorisch ab. Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) kämpft für politische Autonomie. Nach Ansicht von Ankara ist die PKK eine Terrororganisation. In den letzten Jahren haben die türkischen Sicherheitskräfte ihren Kampf gegen die PKK mit zunehmender Härte geführt. Im Sommer 2015 erklärte die PKK einen Waffenstillstand für hinfällig. 

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Katalonien

Spanien

19% des BIP

16% der Einwohner

Im Streit um die Unabhängigkeit Kataloniens hat die spanische Regierung Mitte Oktober der katalanischen Regierung ein Ultimatum gestellt. Madrid droht mit harten Massnahmen, falls Barcelona seine Abspaltungspläne nicht endgültig ad acta legt und zur verfassungsmässigen Ordnung übergeht. Die Zentralregierung könnte unter Berufung auf Artikel 155 der spanischen Verfassung die katalanischen Regierungsbehörden entmachten. 

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Flandern

Belgien

59% des BIP

57% der Einwohner

Belgien ist eine Föderation mit autonomer, multilingualer Hauptstadt Brüssel. Es gibt seit 1830 einen Konflikt zwischen den Gemeinschaften der Flamen (Niederländisch sprechenden Mehrheit) und der Wallonen (frankophone Minderheit). Schon um die Sprache wird gestritten: Es ist nicht möglich, sich auf eine gemeinsame Landessprache zu einigen. Es geht um kulturelle Identität, Macht und viel Geld. 

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Schottland

Grossbritannien

8% des BIP

8% der Einwohner

Schon lange gibt es in Schottland Bestrebungen, sich vom Vereinigten Königreich unabhängig zu machen – und die Entscheidung einer Mehrheit der Briten, die EU zu verlassen, hat sie noch einmal verstärkt. 

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Rep. Srpska

Bosnien-Herzegowina

32% des BIP

34% der Einwohner

Bosnien-Herzegowina ist ein fragiler Staat, der aus zwei Landesteilen besteht: der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Republika Srpska. Er ist das Ergebnis des Dayton-Friedensabkommens von 1995, das von serbischer Seite immer wieder infrage gestellt wird. Der bosnisch-serbische Präsident Milorad Dodik ist seit Jahren für seinen Separatismus bekannt. 

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Baskenland

Spanien

6% des BIP

5% der Einwohner

Eindeutige historische Grenzen hat das Baskenland nicht. Doch insbesondere in Spanien gibt es deutliche Bestrebungen der dort ansässigen 2,2 Millionen Basken nach Unabhängigkeit. Hier kämpfte bis 2011 die Terrororganisation Eta ein halbes Jahrhundert gegen die Zentralregierung. Durch Anschläge starben mehr als 800 Menschen. 

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Korsika

Frankreich

<1% des BIP

<1% der Einwohner

Seit etwa 40 Jahren ist es auf der Insel, die seit 1769 zu Frankreich gehört, zu Anschlägen von Separatisten wie den Mitgliedern der Korsischen Nationalen Befreiungsfront (FLNC) gekommen. Ziele waren vor allem Gebäude wie Villen wohlhabender Franzosen, Ferienhäuser und Banken. Aber es kam auch zu Morden. 

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Lombardei und Venetien

Italien

31% des BIP

25% der Einwohner

Mehr Steuergelder und Mitsprache bei politischen Entscheidungen: Lombardei und Venetien wollen mehr Autonomie von Rom. Dies ist das Ergebnis der zwei Volksabstimmungen vom 22. Oktober 2017, die allerdings keinen bindenden Charakter haben. 

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Nordirland

Grossbritannien

2% des BIP

3% der Einwohner

In Nordirland wittert die pro-irische Sinn Fein im britischen EU-Austritt perspektivisch eine Chance, sich von London loszusagen – und Irland anzuschliessen. 

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Siebenbürgen

Rumänien

Keine Angaben zum BIP

34% der Einwohner

In Rumänien sorgen die Autonomieforderungen der Vertreter der ethnischen Ungarn seit dem Fall des Kommunismus für Zündstoff. 

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Bayern

Deutschland

19% des BIP

16% der Einwohner

Im Programm der Bayernpartei heisst es, man wolle «zu gegebener Zeit einen Volksentscheid über die bayerische Unabhängigkeit herbeiführen». Die Partei will, dass sich München von der Vormundschaft Berlins befreit. Allerdings waren die Wahlergebnisse seit den 60er-Jahren schlecht. 

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Bretagne

Frankreich

4% des BIP

5% der Einwohner

Nur eine Minderheit wünscht sich in der Bretagne die Unabhängigkeit. Die Zeit der radikalen Auswüchse der Unabhängigkeitsbestrebungen mit Anschlägen auf Einrichtungen des französischen Staates ist lange vorbei. 

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Färöer

Dänemark

1% des BIP

1% der Einwohner

Die Färöer und Grönland gehören zum Königreich Dänemark – aber nicht zur EU. Beide haben bereits weitgehende Selbstverwaltung, trotzdem gibt es den Ruf nach mehr Autonomie. In Grönland hat es politische Kräfte, die sogar nach Eigenstaatlichkeit streben. Sowohl Grönland als auch die Färöer hängen stark von der finanziellen Unterstützung Kopenhagens ab. 

Galicien

Spanien

5% des BIP

6% der Einwohner

Ähnlich wie in Katalonien und im Baskenland gibt es auch in Galicien ein stark ausgeprägtes Bewusstsein für das eigene kulturelle Anderssein. Zu den treibenden Kräften einer Loslösung von Spanien gehört die nationalistische Partei BNG. 

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Grönland

Dänemark

1% des BIP

1% der Einwohner

Die Insel gehört zu dänischem Territorium, hat aber seit 1979 ihr eigenes Parlament. Je zwei grönländische Abgeordnete werden zudem ins Parlament nach Kopenhagen entsandt. Grönland macht Druck – mehr Autonomie wollen dort die meisten, viele gar einen eigenen Staat. Finanziell ist man stark von Dänemark abhängig. Unter dem schmelzenden Eis werden aber zahlreiche Bodenschätze wie seltene Erden, Diamanten und gar Öl vermutet. So will Grönland seine Zukunft unabhängig von Dänemark sichern. 

Mähren

Tschechien

Keine Angaben zum BIP

30% der Einwohner

Immer mehr Rathäuser folgen seit 2010 einer Initiative, im historischen Landesteil Mähren an Feiertagen die alte gold-rote Fahne mit dem Adler auszuhängen. Ernsthafte Bestrebungen für eine Unabhängigkeit gibt es bislang nicht. 

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Oberschlesien

Polen

15% des BIP

15% der Einwohner

Die 1990 gegründete Bewegung für die Autonomie Oberschlesiens (RAS) will eine Autonomie wie vor dem Zweiten Weltkrieg erreichen. Sie betont die kulturelle und sprachliche Eigenart der Oberschlesier, fordert aber keine Unabhängigkeit. 

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Padanien

Italien

55% des BIP

44% der Einwohner

Padanien – das ist der von Rom und Süditalien abgetrennte Idealstaat, von dem der frühere Lega-Nord-Chef Umberto Bossi geträumt hatte. Padanien hätte die reichen Regionen im Norden Italiens umfassen sollen: Friaul, Venetien, Lombardei, Piemont, Ligurien, Trentino-Südtirol, Emilia-Romagna und Aostatal. 

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Sardinien

Italien

2% des BIP

3% der Einwohner

Sardinien hat für eine Region schon heute viele Sonderrechte. Dennoch gibt es politische Kräfte wie die Sardinische Aktionspartei, die eine Abspaltung der Mittelmeerinsel von Italien anstreben. 

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Sizilien

Italien

5% des BIP

9% der Einwohner

Sizilien hat den Status einer autonomen Region mit Sonderstatut. Die Mittelmeerinsel hat also eine eigene Regionalverfassung und eine grössere Autonomie in den Bereichen Verwaltung und Finanzen, wie zum Beispiel auch Trentino-Südtirol und Sardinien. Trotzdem gibt es auf Sizilien immer noch Anhänger einer Loslösung von Italien. 

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Südtirol

Italien

2% des BIP

1% der Einwohner

Kaum eine Region in Europa ist vom Zentralstaat unabhängiger als das italienische Südtirol. Trotz grosser finanzieller Selbstständigkeit gibt es Bewegungen für eine Loslösung von Italien. Der Sezessionspartei Süd-Tiroler Freiheit zum Beispiel gehen die Rechte zur Selbstverwaltung nicht weit genug. Sie träumen von einem eigenen Staat oder einer Vereinigung mit Österreich. 

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Wales

Grossbritannien

3% des BIP

5% der Einwohner

In Wales steht die Partei «Plaid Cymru» für das nationalistische Programm einer Region, das staatliche Souveränitätsrechte einfordert. Die «Party of Wales» ist allerdings eine kleine Partei in der parlamentarischen Opposition. Je nach Verlauf der Brexit-Verhandlungen könnten Wales’ Separatisten aber Zulauf erhalten. 

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Die Gebiete mit vollzogener Sezession

Mit dem Ende des Kommunismus hat sich die politische Geografie Europas markant verändert. Nach 1989 entstanden in Ost- und Mitteleuropa neue Staaten. Im Zuge von Bürgerkriegen in den 1990er Jahren verschwand der Staat Jugoslawien. 2008 erklärte auch der Kosovo seine Unabhängigkeit. Die einseitige Abspaltung von Serbien ist nicht unumstritten. Allerdings: Über 110 Staaten anerkennen Kosovo.

Mehrheitlich nicht anerkannt sind die anderen Sezessionsgebiete in Europa, etwa die ukrainische Krim, die von Russland annektiert worden ist, sowie Abchasien und Südossetien, die sich von Georgien losgesagt haben. Die meisten De-facto-Sezessionen befinden sich auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion. Die separatistischen Bewegungen in ehemaligen Sowjet-Republiken werden massgeblich von aussen befördert. Im Fall von Krim und Donbass war der Einfluss Russlands offensichtlich.

Intensität des Konflikts

Einschätzung der Autoren

Donbass

Ukraine

16% des BIP

14% der Einwohner

Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben im Juli 2017 einseitig einen eigenen Staat ausgerufen. Kleinrussland, so der Name des neuen Staates, soll aus den selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk gebildet werden. Donezk ist als Hauptstadt von «Malorossija» vorgesehen. Teile des Donbass stehen seit April 2014 unter Kontrolle der von Moskau unterstützten Aufständischen. 

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Krim

Ukraine

3% des BIP

5% der Einwohner

Die Halbinsel hat sich 2014 erst für unabhängig erklärt und dann per Referendum der russischen Föderation angeschlossen. Die Abspaltung ist umstritten. 

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Abchasien

Georgien

4% des BIP

7% der Einwohner

Abchasien besitzt seit 1993 staatliche Strukturen und betrachtet sich als selbstständigen Staat, gilt völkerrechtlich aber als Teil von Georgien. 

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Berg-Karabach

Aserbeidschan

Keine Angaben zum BIP

2% der Einwohner

Die Republik Berg-Karabach – offiziell Republik Arzach – erklärte ihre Unabhängigkeit von Aserbeidschan am 2. September 1991. Sie wird weder von den Vereinten Nationen noch vom Europarat anerkannt. 

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Südossetien

Georgien

<1% des BIP

<1% der Einwohner

Südossetien erklärte sich bereits vor dem Zerfall der Sowjetunion als unabhängig. Bis heute haben das De-facto-Regime vier Staaten anerkannt: Russland, Nicaragua, Venezuela und Nauru. 

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Kosovo

Serbien

15% des BIP

26% der Einwohner

Die Republik betrachtet sich selbst seit 2008 als souveränen Staat, international wird dies seit 2012 mehrheitlich anerkannt. Gelöst ist der Konflikt mit Serbien aber nicht. 

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Nordzypern

Zypern

<1% des BIP

7% der Einwohner

Zypern ist seit 1974 eine geteilte Insel. Griechische und türkische Zyprer leben getrennt. Die 1983 ausgerufene Türkische Republik Nordzypern wird nur von der Türkei anerkannt. Seit ein paar Jahren laufen Gespräche über eine Wiedervereinigung mit dem Ziel einer Föderation mit zwei gleichberechtigten Bundesstaaten. 

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Transnistrien

Moldau

11% des BIP

14% der Einwohner

Seit der Abspaltung von Moldau 1990 ist Transnistrien ohne internationale Anerkennung. Die proklamierte Republik verfügt aber über eine eigene Währung, Verwaltung, Militär und eine De-Facto-Unabhängigkeit. 

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