- Als Schneetag gilt ein Tag mit mind. 5 cm Schnee
- Wir vergleichen die Ø Anzahl Schneetage pro Saison der Perioden 1960–1989 und 1990–2019
- Eine Wintersaison dauert von November bis April
Schnee ist wichtig für Tourismus und Wasserwirtschaft, er weckt aber auch Emotionen. Die Schweiz immer häufiger ohne Schnee? Unvorstellbar. Aber, wohl schon schneller Realität, als uns lieb ist. Lange Messreihen zeigen, dass es in den vergangenen 30 Jahren im Winter in der Schweiz je nach Ort und Lage bis zu 67 Prozent weniger Schneetage pro Saison gab als noch von 1960 bis 1989 (Was gilt als Schneetag? Siehe Methodik). «Diese Entwicklung ist bedenklich», sagt Klimaforscher Christoph Marty vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF), von welchem auch die Daten stammen. «Historische Aufzeichnungen der letzten 500 Jahre zeigen, dass es im Schweizer Mittelland noch nie eine so geringe Schneebedeckung gegeben hat wie in den letzten Dekaden», so Marty weiter.
Um diesen vor allem in tiefen und mittleren Lagen dramatischen Wandel besonders sichtbar zu machen, haben wir die Entwicklung der Schneedecke an 33 Orten der ganzen Schweiz visualisiert. Dabei vergleichen wir die Mittelwerte der Anzahl Schneetage der Perioden 1960 bis 1989 und 1990 bis 2019.
In Zürich lag beispielsweise von 1960 bis 1989 durchschnittlich an 34 Tagen Schnee, von 1990 bis 2019 waren es nur noch 19 Tage, also 44 Prozent weniger. «Wenn sich die Erde gleich erwärmt wie die letzten Jahrzehnte, wird ab 2050 in Zürich vielleicht noch alle 15 Jahre mehr als eine Woche Schnee liegen», sagt Marty.
Lugano
273 m
Sion
480 m
Locarno
365 m
Visp
655 m
Basel
316 m
Neuenburg
485 m
Brusio
800 m
Zürich
556 m
Bellinzona
230 m
Bern
555 m
Ende der 1980er-Jahre sind die Temperaturen abrupt gestiegen. Dies ist ein globales Phänomen, das man noch nicht im Detail verstanden hat. Seither ist auch eine noch nie beobachtete Abnahme der Schneetage festzustellen. In tiefen Lagen ist es so warm geworden, dass der Niederschlag markant häufiger als Regen und nicht mehr als Schnee fällt. Eine Rolle für diesen plötzlichen Temperaturanstieg dürfte die Luftverschmutzungsbekämpfung in den 1980er-Jahren gespielt haben, die dann spätestens in den 1990er-Jahren zum sogenannten Global Brightening führte. Die Luft wurde sauberer, somit konnten die Sonnenstrahlen die Erde wieder stärker aufheizen und der vom Menschen gemachte Treibhauseffekt voll durchschlagen. Weil man diese Zusammenhänge aber bis heute nicht richtig quantifizieren kann und sicher auch noch Meeresströmungen eine Rolle spielen, können sich sprunghafte Temperaturanstiege erneut ereignen.
Wenn die Temperaturen gleich steigen wie zuletzt, dann muss in Zürich, Basel und Bern mit 80 Prozent weniger Schneetagen bis 2050 gerechnet werden. Es bleiben also nur noch ein paar wenige Tage mit Schnee pro Saison, und es wird eine zunehmende Anzahl Winter gänzlich ohne Schneedecke geben. Das zeigen Modellrechnungen des SLF. Auch die mittleren Lagen verlieren bis in 30 Jahren 80 Prozent der Schneetage. Dort wird die Schneedecke ebenfalls häufig nicht mehr permanent sein. Langfristig betrachtet hat der Winterniederschlag zwar leicht zugenommen, aber immer häufiger als Regen und nicht mehr als Schnee.
Poschiavo
1078 m
Lauterbrunnen
805 m
Einsiedeln
910 m
Chaux-de-Fonds
1018 m
Küblis
810 m
Engelberg
1060 m
Scuol
1298 m
Airolo
1139 m
Campo Blenio
1215 m
Klosters
1195 m
Klosters ist eine der höchsten und schneereichsten Stationen in dieser Höhenlage, es gibt dort besonders viel Niederschlag. Das Prättigau ist ähnlich ausgerichtet wie das Toggenburg und das Glarnerland, gegen Nordwesten offen, da staut sich die Feuchtigkeit. Und trotzdem gilt Braunwald GL nicht als schneesicher, obwohl der Ort einer der höchsten Neuschneesummen der Schweiz aufweisen kann. Der Grund: Braunwald ist gleichzeitig eine Sonnenterrasse, und der Glarner Föhn tut das seinige dazu. Es gibt sehr viele lokale Phänomene, die die Schneedecke beeinflussen. Darum haben sicher auch Standortverschiebungen der Messstationen innerhalb der untersuchten 60 Jahre einen Einfluss auf die Daten.
Andermatt profitiert aufgrund seiner Lage am Alpenhauptkamm zweifach. Erstens erhält es häufig Schnee bei Nord- und Südlagen, und zweitens ist der Talboden von einem Kältesee beeinflusst, der die Schneedecke vor warmen Temperaturen schützt. Dafür ist Andermatt eher schattig und windig.
Das Engadin liegt zwar auch am für Niederschlag günstig gelegenen Alpenhauptkamm, aber die umschliessenden Berge sind dort so hoch und zahlreich, dass die Wolken häufig nicht mehr durchkommen. Ein typisches inner-alpines Trockental. Auch Zermatt ist so ein Trockental, gegen Westen geschlossen, da sind die Berge sogar besonders hoch. Es braucht dort schon ganz spezielle Wetterlagen, dass es viel Schnee gibt. Dafür ist Zermatt sehr sonnig.
Airolo und Campo Blenio profitieren beide von ihren Standorten am Ende eines engen Tales, wo erstens häufig Niederschlag fällt und die Nullgradgrenze aufgrund von Staueffekten häufig tiefer ist als anderswo.
Zermatt
1600 m
Cavaglia
1690 m
Zuoz
1710 m
Grindelwald Bort
1560 m
Davos
1560 m
Samedan
1705 m
Ritom
1800 m
Bosco Gurin
1530 m
Ulrichen
1350 m
St. Antönien
1510 m
Andermatt
1440 m
Mürren
1650 m
Trübsee
1770 m
Der Winter 2017/18 war in den Alpen einer der schneereichsten der letzten 30 Jahre, aber nur oberhalb von 1500 Meter. Weiter unten war es häufig viel zu warm für Schneefall. Der Dezember und Januar waren sehr niederschlagsreich, was in grosser Höhe zu sehr viel Schnee in kurzer Zeit und entsprechender Lawinengefahr führte. Gleichzeitig kam es weiter unten zu Murgängen, Hangrutschungen und Hochwasser mitten im Winter. In diesem Sinne war der letzte Winter in der Tat aussergewöhnlich. Aber auch wieder nicht: Klimamodelle sagen vermehrt Überschwemmungen im Winter voraus.
Richtig. Modellrechnungen zeigen, dass dieser Effekt oberhalb von 2500 Metern bis maximal Mitte Jahrhundert zu grösseren Winter-Schneehöhen führen kann. Die gleichen Modelle zeigen aber auch, dass dieses Mehr an Schnee nicht in den Sommer gerettet werden kann, weil die grosse Wärme eine intensivere Schmelze verursacht. Ein gutes Beispiel dafür ist der letzte Winter, die überdurchschnittlichen Schneemengen waren überraschend schnell wieder weg, den Gletschern hat das nicht geholfen. Ab 2050 ist dann aber auch in hohen Lagen immer öfter Schluss mit viel Schnee. Wie die neuesten Klimaszenarien für die Schweiz zeigen, wird die winterliche Nullgradgrenze bis Mitte Jahrhundert im Bereich der hohen Lagen liegen (1301 bis 1800 Meter), Naturschnee allein kann dann auch dort keine Schneesicherheit mehr garantieren.
Davos liegt an der Grenze zwischen Nord- und Mittelbünden und erhält darum bereits nicht mehr so viel Niederschlag wie Klosters oder Arosa.
Trübsee ist die schneereichste und eine der höchsten Stationen in diesem Datensatz und zudem auch in einem lokalen Kältesee gelegen. Auf dieser Höhenlage ist es trotz Erwärmung häufig noch kalt genug, sodass der Niederschlag weiterhin meistens als Schnee fällt. Andere ähnlich hoch gelegene Stationen am Alpennordhang zeigen einen vergleichbar kleinen Rückgang der Schneetage.
Das Klimasystem ist so träge, dass die Temperaturen die nächsten Jahrzehnte auf jeden Fall weiter zunehmen und die Schneetage entsprechend abnehmen werden. Wir können nur Schadensbegrenzung betreiben, damit es nicht noch schlimmer wird. Wenn wir es schaffen, die Erwärmung bei maximal 2°C zu begrenzen, wird der Rückgang der Schneedecke bis Ende Jahrhundert nur halb so gross sein, wie wenn wir einfach wie bisher weitermachen.