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«Die letzten drei Sommer waren alles Jahrhundert­ereignisse»

Der Sommer 2019 hinterlässt eine Reihe an Wetterrekorden. Toppt 2019 sogar das extreme letzte Jahr? Klimatologe Stephan Bader zieht Bilanz.

Von Patrick Vögeli und Marc Brupbacher

2019 war der drittwärmste Sommer

Die Abbildung zeigt die Abweichung von der durchschnittlichen Sommertemperatur (Juni/Juli/August) in der Schweiz zum Referenzzeitraum 1961 bis 1990. Vier der fünf wärmsten je gemessenen Sommer traten in den letzten fünf Jahren auf.

2019
3.
2018
4.
2017
5.
2016
14.
2015
2.
2014
42.
2013
13.
2012
8.
2011
30.
2010
20.
2009
12.
2008
23.
2007
34.
2006
15.
2005
27.
2004
29.
2003
1.
2002
19.
2001
25.
2000
28.
1999
37.
1998
18.
1997
47.
1996
53.
1995
36.
1994
6.
1993
46.
1992
16.
1991
21.
1990
32.
1989
57.
1988
52.
1987
87.
1986
63.
1985
69.
1984
93.
1983
9.
1982
31.
1981
85.
1980
133.
1979
102.
1978
141.
1977
130.
1976
51.
1975
100.
1974
105.
1973
50.
1972
129.
1971
61.
1970
66.
1969
120.
1968
127.
1967
68.
1966
124.
1965
123.
1964
35.
1963
94.
1962
79.
1961
99.
1960
114.
1959
49.
1958
71.
1957
96.
1956
149.
1955
107.
1954
137.
1953
92.
1952
11.
1951
77.
1950
10.
1949
33.
1948
134.
1947
7.
1946
86.
1945
26.
1944
44.
1943
58.
1942
67.
1941
83.
1940
138.
1939
98.
1938
73.
1937
56.
1936
113.
1935
39.
1934
74.
1933
91.
1932
70.
1931
81.
1930
60.
1929
48.
1928
17.
1927
104.
1926
140.
1925
101.
1924
143.
1923
90.
1922
109.
1921
40.
1920
131.
1919
119.
1918
142.
1917
76.
1916
152.
1915
106.
1914
148.
1913
155.
1912
153.
1911
22.
1910
144.
1909
154.
1908
103.
1907
121.
1906
80.
1905
45.
1904
24.
1903
136.
1902
122.
1901
89.
1900
72.
1899
75.
1898
112.
1897
59.
1896
145.
1895
95.
1894
110.
1893
78.
1892
84.
1891
147.
1890
150.
1889
115.
1888
151.
1887
43.
1886
125.
1885
55.
1884
132.
1883
146.
1882
156.
1881
54.
1880
128.
1879
111.
1878
118.
1877
38.
1876
65.
1875
82.
1874
64.
1873
41.
1872
116.
1871
135.
1870
97.
1869
126.
1868
62.
1867
108.
1866
117.
1865
88.
1864
139.

War der Sommer 2019 ein Jahrhundertsommer?

Stephan Bader: Die Schweiz blickt auf den drittheissesten Sommer seit Messbeginn zurück. Er ist in guter Gesellschaft mit den letzten ähnlich heissen Sommern 2018, 2017 und 2015. Wesentlich heisser zeigte sich nur der legendäre Hitzesommer 2003. Im Vergleich zu den Sommern im 20. Jahrhundert waren dies alles Jahrhundertereignisse.

Wo zeigte es sich, dass dieser Sommer extrem war?

Extrem war die Wärme im Juni und im Juli. Im landesweiten Mittel war es der zweitwärmste Juni seit Messbeginn 1864. Einen Monat später registrierte die Schweiz den sechstwärmsten Juli seit Messbeginn. Die hohen Monatstemperaturen waren die Folge von zwei intensiven Hitzewellen. Die anhaltend hohe Temperatur gegen Ende Juni führte zu einer der intensivsten siebentägigen Hitzewelle seit Messbeginn vor über 100 Jahren. Die Junihitze brachte an über 50 Messstandorten neue Junirekorde der Tagesmaximum-Temperatur. 15 Messstandorte, 14 davon in höheren Lagen, registrierten neue Allzeitrekorde, darunter die beiden Standorte Davos und Säntis mit Messreihen von über 100 Jahren. In Davos war es mit 29,8 °C noch nie so heiss wie am 26. Juni 2019. Die Temperatur der Juni-Juli-Periode stieg im landesweiten Mittel auf den zweithöchsten Wert seit Messbeginn 1864. Gleich warm war die Juni-Juli-Periode im Sommer 2015. Landesweit mehr Wärme brachte nur die Juni-Juli-Periode im extremen Hitzesommer 2003.

2019: Bisher überdurchschnittlich warm

Monatsmittel der Temperaturen in Grad Celsius in der Schweiz seit 1864

2019
Mittel Referenz­zeitraum 1961–1990

Passt dieser Sommer zu den Prognosen bezüglich Klimawandel in der Schweiz?

Ein einzelnes extremes Ereignis kann nicht dem Klimawandel zugeschrieben werden. Der Sommer 2019 ist jedoch kein Einzelfall. Auffallend und einzigartig für den bisherigen Klimaverlauf seit Messbeginn 1864 ist die Häufung extrem warmer Sommer verbunden mit mehr Hitzewellen in den vergangenen 20 Jahren. Darin zeigt sich die Klimaänderung. Und genau diese Entwicklung hin zu wärmeren Sommern und mehr Hitzewellen zeigen die Klimamodelle für die Zukunft.

Kurzfristige Ereignisse wie diese Hitzewellen sind doch dem Wetter zuzuordnen und lassen keine Rückschlüsse auf das Klima zu.

Eine einzelne Hitzewelle ist und bleibt ein Wetterereignis, eingebettet in die bekannte Variabilität des Wetterverlaufs. Im Verbund mit den heute häufigeren Hitzewellen erhält das einzelne Ereignis aber eine wichtige klimatische Bedeutung. Es ist Teil einer Entwicklung. Mit den immer wärmeren Sommern und den häufigeren Hitzewellen hat sich der Charakter des Sommerklimas in der Schweiz markant verändert. Das Klimaänderungssignal ergibt sich also aus der Summe der einzelnen Wetterereignisse.

2019 gab es auch sehr viel Sonne

Monatsmittel der Sonnenstunden in der Schweiz seit 1961

2019
Mittel Referenz­zeitraum 1961–1990

War das ein Sommer, wie wir ihn in 40 Jahren jedes Jahr erleben werden?

Vielleicht nicht jedes Jahr, aber sehr häufig. Mit zunehmender globaler Erwärmung dehnt sich das sommerliche Hochdruckgebiet über dem Mittelmeer vermehrt nach Norden Richtung Zentraleuropa aus, so wie wir es auch in diesem Sommer intensiv erlebt haben. Die ans Mittelmeer angrenzenden Grossregionen Europas, und damit auch die Schweiz, sind deshalb weltweit von einer der stärksten Zunahmen von Hitzeextremen betroffen. Dieser Trend lässt sich bereits in den vergangenen Jahrzehnten beobachten, und er wird sich sehr wahrscheinlich auch in Zukunft fortsetzen.

Schauen wir uns die drei Sommermonate jeden für sich etwas genauer an. Der Juni toppt alles.

Die Junitemperatur lag in den Niederungen nördlich und südlich der Alpen 2 bis 3 °C über der Norm 1981‒2010. In den Alpen und auf den Jurahöhen bewegte sich die Monatstemperatur 3 bis 4 °C über der Norm. Gipfellagen registrierten zum Teil extreme Werte von knapp 5 °C über der Norm. Im landesweiten Mittel stieg die Junitemperatur 3,4 °C über die Norm 1981‒2010.

Und der Juli?

Nach dem zweitheissesten Juni registrierte die Schweiz den sechstwärmsten Juli seit Messbeginn. Die Julitemperatur lag in den meisten Gebieten der Schweiz 2 bis 2,5 °C über der Norm 1981‒2010. In den Ostalpen und im Gotthardgebiet bewegte sich die Monatstemperatur 1,5 bis 2 °C über der Norm. Im landesweiten Mittel stieg die Julitemperatur 2 °C über die Norm 1981‒2010.

Der August war aber unterdurchschnittlich warm, nicht?

Nein, auch die Augusttemperatur wird im landesweiten Mittel knapp 1,5 °C über die Norm 1981‒2010 zu liegen kommen. Eine Hitzewelle blieb aus. Die Augustwärme 2019 belegt trotzdem Rang 14 seit Messbeginn 1864.

2019: Keine extreme Trockenheit bisher

Monatsmittel der Niederschlagsmenge in Milimeter in der Schweiz seit 1900

2019
Mittel Referenz­zeitraum 1961–1990

Wie sah es punkto Niederschlag und Trockenheit aus?

Die sommerlichen Niederschlagssummen (Juni bis August) stiegen in der Westschweiz, auf der Alpensüdseite und im Wallis regional über die Norm 1981‒2010. Im Wallis und im Tessin gab es lokal Werte zwischen 130 und über 140% der Norm. Ganz im Süden des Tessins lieferten die drei Sommermonate hingegen nur rund die Hälfte der normalen Mengen. In den übrigen Gebieten der Schweiz bewegten sich die Niederschlagssummen zwischen 80 und 100% der Norm 1981‒2010. Trockenheit war in diesem Sommer im Vergleich zur letztjährigen Jahrhunderttrockenheit kein Thema. Aktuell ist in der Schweiz über die letzten 30 Tage betrachtet keine Trockenheit feststellbar.