Von 63 000 auf 158 000 Franken: So imposant ist das durchschnittliche Einkommen in Freienbach SZ innert 20 Jahren gestiegen. Keine andere grössere Gemeinde hat auch nur annähernd einen derartigen Aufschwung erlebt, wie ein Langzeitvergleich der steuerbaren Jahreseinkommen zeigt. Dies hat in der Gemeinde am linken Zürichseeufer Spuren hinterlassen. Erfreuliche und weniger erfreuliche.
Ein Grossteil der Freienbacher Dynamik ist wohl auf reiche Neuzuzüger zurückzuführen, welche die dortigen tiefen Steuern zu schätzen wissen. Aber auch Alteingesessene hätten womöglich besser geschäftet, sagt Gemeindepräsident Daniel Landolt. Die Nachfrage der Reichen hat dabei bestimmt nicht geschadet.
Bloss: In der Gemeinde, zu der auch Pfäffikon, Wilen, Bäch und Hurden gehören, sind nicht nur die Einkommen gestiegen. In die Höhe schossen auch die Mieten und Liegenschaftspreise. Viele Junge, die in Freienbach aufwachsen, finden keine bezahlbare Wohnung mehr, wenn sie bei den Eltern ausziehen. «Ich hatte Glück und konnte von meinem Vater eine Liegenschaft übernehmen», sagt Landolt. Aber nicht alle hätten dieses Glück. Kollegen von ihm flüchteten nach Einsiedeln, Richterswil oder in die March, wo die Mieten noch bezahlbar sind – zum Teil aber ebenfalls anziehen. Der Gemeindepräsident kennt auch Eltern, die ihre Wohnung den Kindern überlassen und ihrerseits wegziehen.
«Dieses Problem zu lösen», sagt Landolt, «ist extrem schwierig, wenn man eine liberale Haltung hat.» Und eine solche hat der CVP-Politiker. Trotzdem möchte die Gemeinde günstigen Wohnraum fördern. Sie gewährt daher derartigen Projekten neuerdings eine höhere Ausnützung. Geld dafür sprechen mag Freienbach jedoch nicht. Man leistet sich auch keine Mehrzweckhalle oder ähnliche Annehmlichkeiten. Lieber hält man die Steuern tief.
Der einzige «Luxus», den sich Freienbach laut dem Gemeindepräsidenten leistet, sind die zahlreichen Schulhäuser – verstreut über die verschiedenen Dörfer. Hinzu kommen diverse Privatschulen. Jedes fünfte Kind in Freienbach zieht eine solche der öffentlichen Schule vor.
Mit dem Verdrängen von Alteingesessenen durch reiche Neuzuzüger hat sich auch das Zusammenleben in Freienbach verändert. Den Vereinen mangelt es an Nachwuchs. Viele Beizen mussten schliessen. Und es wird zunehmend verdichtet. Das gefällt nicht allen, gehört aber wohl zum ökonomischen Erfolg.
Stark gestiegen sind die Einkommen auch in Zug (74%) und Nyon (55%). Zürich (29%), Basel (23%) und Bern (19%) liegen im Mittelfeld. Dies lässt sich anhand der jährlichen Statistik der Eidgenössischen Steuerverwaltung berechnen. Weil das Bereinigen der Steuerveranlagungen bekanntlich seine Zeit braucht, beziehen sich die aktuellsten Daten aufs Jahr 2016. Wir haben sie mit jenen von 1996 verglichen und konzentrieren uns auf die grösseren Gemeinden mit mehr als 10 000 Steuerpflichtigen.
In zwei Städten – Wil SG und Schaffhausen – ist das durchschnittliche Einkommen in den zwanzig Jahren leicht gesunken. Beide fielen dadurch unter das landesweite Mittel, das sich 2016 auf 60 000 Franken belief. Der Schaffhauser Stadtrat Daniel Preisig führt das Absacken seiner Stadt auf die Deindustrialisierung um die Jahrtausendwende zurück. Diese traf etwa Georg Fischer hart. Seither steigen die Schaffhauser Einkommen wieder leicht.
Betrachtet man auch kleinere und Kleinst-Gemeinden, verzeichnet Vaux-sur-Morges das höchste Durchschnittseinkommen: schwindelerregende 760 000 Franken. Dies hat die Waadtländer Gemeinde einer einzigen Person zu verdanken: André Hoffmann, Vizepräsident des Pharmakonzerns Roche. Alle anderen in Vaux-sur-Morges verdienen markant weniger. Das zeigt der sogenannte Median – jener mittlere Wert, bei dem die Hälfte aller Steuerpflichtigen darüber liegt und die andere Hälfte darunter.
In Vaux-sur-Morges beträgt der Median 61 000 Franken. Das ist im Vergleich mit anderen Gemeinden immer noch ein stolzer Wert. Doch Freienbach und Zug liegen mit 66 000 respektive 63 000 Franken höher. Am anderen Ende der Skala figuriert Locarno mit lediglich 34 000 Franken.
Frappant ist die Entwicklung der verschiedenen Einkommensklassen, die zunehmend auseinanderklaffen. So konnte das bestverdienende Tausendstel innert zwanzig Jahren um 53 Prozent zulegen – von mindestens 690 000 auf mindestens 1,05 Millionen Franken. Im Kanton Schwyz haben sich diese Einkommen gar mehr als verdreifacht (auf mehr als 3,4 Millionen Franken).
Wer hat, dem wird noch mehr gegeben
Einkommensentwicklung in der Schweiz in Fr. zwischen 1996 und 2016
Wenigverdiener: 25%-Perzentil
(ein Viertel verdient weniger, drei Viertel mehr)
Mittelverdiener: 50%-Perzentil = Median
(die eine Hälfte verdient mehr, die andere weniger)
Gutverdiener: 90%-Perzentil
(10% verdienen mehr, 90% weniger)
Sehrgutverdiener: 99%-Perzentil
(1% verdient mehr, 99% weniger)
Spitzenverdiener: 99,9%-Perzentil
(0,1% verdient mehr, 99,9% weniger)
Ganz anders sieht es beim ärmsten Viertel aus. Dessen steuerbare Einkommen stiegen gesamtschweizerisch nur um 5 Prozent – von maximal 21 000 auf maximal 22 000 Franken. Damit konnten die Wenigverdiener nicht einmal mit der Teuerung mithalten, die sich in dieser Zeitspanne auf rund 10 Prozent belief. Zu beachten ist freilich auch, dass sich die steuerlichen Abzüge zwischen 1996 und 2016 änderten – etwa für Kinder. Dies reduziert die steuerbaren Einkommen.
Am ungleichsten sind die Einkommen – wenig überraschend – in Vaux-sur-Morges verteilt. Dies lässt sich mit dem sogenannten Gini-Koeffizienten beziffern – einer Zahl zwischen 0 und 1. Je höher der Wert, desto stärker die Ungleichheit. Bei 1 verdient einer alles und die anderen nichts, bei 0 verdienen alle gleich viel. In Vaux-sur-Morges beträgt der Gini-Koeffizient 0,94. Unter den grösseren Gemeinden ist er in Freienbach mit 0,68 am höchsten, am tiefsten in Emmen mit 0,38.
Im internationalen Vergleich sind die Einkommensunterschiede in der Schweiz relativ moderat. Wobei zu beachten ist, dass die Kapitalgewinne hierzulande steuerfrei sind und deshalb von den Steuerstatistiken nicht erfasst werden.
Unter den Kantonen weist Genf die grössten Einkommensdifferenzen auf. Am gleichmässigsten ist der Verdienst im Kanton Uri verteilt. Dort stieg zwischen 1996 und 2016 auch der Median am stärksten – um 34 Prozent. Beim Einkommensschnitt hingegen schwingt Schwyz mit einem Plus von 79 Prozent oben aus, während Schaffhausen – auch hier – die Rolle des Schlusslichts zufällt.
Einen Überblick über die Einkommen in sämtlichen Gemeinden finden Sie hier.