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Soviel könnte Corona den Kanton Zürich kosten

Das Coronavirus wütet in Zürichs Buchhaltung. Finanzspritzen für darbende Unternehmen, Steuerausfälle, aber auch auf den ersten Blick kuriose Kosten belasten das Budget. Eine unvollständige Zusammenstellung.

Simon Huwiler
Aktualisiert am 2. Juli 2020
Die erste Welle ist vorüber. Das grosse Aufarbeiten beginnt. Welchen finanziellen Schaden hat das Coronavirus bisher angerichtet? Erste Hinweise liefern einzelne Behörden, Regierungsratsbeschlüsse und die Wissenschaft. Diese Zeitung hat die bereits bekannten Zahlen zusammengetragen. Entstanden ist eine unvollständige Liste mit vielen Unbekannten.
Bevor es losgeht
Wir unterteilen die Ausgaben in drei Kategorien:
  1. Schnelle Hilfe sind jene finanziellen Mittel, die sofort zur Verfügung gestellt wurden.
  2. Ausfälle und Mindereinnahmen belasten das Budget bereits jetzt oder werden sich noch auf den Finanzhaushalt auswirken.
  3. Garantien und Bürgschaften garantieren Unternehmen schnelle Darlehen. Diese können das Budget belasten, müssen aber nicht.
Ausgaben wegen Corona (summiert)
Vergleichsausgaben
Millionen010203040506070809010011012013014015016017018019020021022023024025026027028029030031032033034035036037038039040041042043044045046047048049050051052053054055056057058059060061062063064065066067068069070071072073074075076077078079080081082083084085086087088089090091092093094095096097098099010001010102010301040105010601070108010901100111011201130114011501160117011801190120012101220123012401250126012701280129013001310132013301340135013601370138013901400141014201430144014501460147014801490150015101520153015401550156015701580159016001610162016301640165016601670168016901700171017201730174017501760177017801790Mio.010203040506070809010011012013014015016017018019020021022023024025026027028029030031032033034035036037038039040041042043044045046047048049050051052053054055056057058059060061062063064065066067068069070071072073074075076077078079080081082083084085086087088089090091092093094095096097098099010001010102010301040105010601070108010901100111011201130114011501160117011801190120012101220123012401250126012701280129013001310132013301340135013601370138013901400141014201430144014501460147014801490150015101520153015401550156015701580159016001610162016301640165016601670168016901700171017201730174017501760177017801790
11.5 Mio.Budget Züri-Fäscht 201911.5 Mio.
24.4 Mio.Ausgaben des FCZ (2018)24.4 Mio.
38.8 Mio.Jährliche Betriebs­kosten städtischer Schwimmbäder38.8 Mio.
75 Mio.Prognostizierte Kosten der ZKB-Seilbahn75 Mio.
80.3 Mio.Jährlicher Förderbeitrag an das Opernhaus80.3 Mio.
105.2 Mio.Neues Hardturm­stadion105.2 Mio.
300 Mio.Triemli-Bettenhaus300 Mio.
380 Mio.Baukosten Prime Tower380 Mio.
512 Mio.Gewinn Lindt & Sprüngli (2019)512 Mio.
739 Mio.Neues Polizei- und Justizgebäude739 Mio.
940 Mio.Ausbau Nordumfahrung940 Mio.
992.2 Mio.Betriebs­aufwand des ZVV (2018)992.2 Mio.
1146 Mio.Umsatz Digitec Galaxus (2019)1146 Mio.
1308 Mio.Jahresbudget der ETH Zürich (2019)1308 Mio.
1626 Mio.Alle Ausgaben der Stadt Winterthur (2019)1626 Mio.
1900 Mio.Neubeschaffung Zug FV-Dosto1900 Mio.
Schnelle Hilfe
2.5 Mio.
In Windeseile hat der Regierungsrat ein Massnahmenpaket verabschiedet, um gebeutelte Branchen zu unterstützen. Der Tourismus etwa soll dieses Jahr 2,5 Millionen Franken erhalten. In den beiden Folgejahren wird der Betrag auf 1,6 respektive 0,7 Millionen Franken reduziert.
17.5 Mio.
Für Selbstständige wurden 15 Millionen Franken reserviert. Finanziert wird dieser Beitrag über die Jubiläumsdividende der Zürcher Kantonalbank.
25.5 Mio.
8 Millionen Franken gehen an den Sportfonds für dessen gemeinnützige Organisationen. Am meisten Geld erhalten jedoch die Spitäler:
160.5 Mio.
135 Millionen Franken erhalten Zürichs Krankenhäuser, zusätzlich können sie Kredite beantragen (dazu später mehr). Mit dieser direkten Hilfe sollen nicht nur die Corona-bedingten Mehraufwände gedeckt, sondern auch das vom Bund auferlegte Operationsverbot kompensiert werden. Das Hilfspaket ist jedoch noch nicht im Trockenen, der Kantonsrat wird erst noch darüber entscheiden. Die Spitäler wehren sich, der Betrag sei zu gering.
Zusätzliche Plätze in der Notaufnahme wie hier im Inselspital Bern drücken Spitälern aufs Budget. (Adrian Moser)
196.9 Mio.

20 Millionen Franken gehen an die Fachstelle Kultur, finanziert über den Lotteriefonds. Da über den Lotteriefonds nur Non-Profit-Organisationen unterstützt werden können, werden kommerzielle Kulturunternehmen mit zusätzlichen, maximalen 13,5 Millionen Franken unterstützt. 1083 Gesuche seien gemäss Regierungsrätin Jacqueline Fehr eingegangen. 185 wurden bisher behandelt.

Nebst den grossen Finanzposten verschlingt das Coronavirus auch diverse kleinere Beträge. Die Zürcher Maskenmaschine etwa wird Zürich ungefähr 800’000 Franken kosten. 570’000 Franken hat der Kanton bisher durch Mietzinserlasse auf kantonalen Immobilien verloren (Stand 12. Juni). Die Kantonsapotheke hat kostenloses Material im Wert von 1,5 Millionen Franken abgegeben. Auch für Kinderkrippen stehen noch Ausgaben an. Über die Höhe kann die Bildungsdirektion noch keine Aussage machen.

Die Zürcher Maskenmaschine. Noch ist sie nicht in Betrieb. (Samuel Schalch)
Ausfälle
Hilfspakete haben einen klaren Kostenrahmen. Anders sieht es mit Mindereinnahmen aus. Und diese können gehörig auf die Bilanz drücken. Genaue Zahlen werden erst in Monaten oder Jahren verfügbar sein. Studien geben jedoch bereits jetzt Hinweise, was Zürichs Steuerzahler erwarten dürfen.
269.8 Mio.

Bereits bekannt ist der Dividendenverzicht des Flughafens. 218 Millionen Franken zahlt das Unternehmen seinen Eignern nun nicht aus. Damit entgehen dem Kanton, der ein Drittel der Aktien besitzt, 72,7 Millionen Franken.

Die Einnahmen im Flugverkehr sind eingebrochen, der Flughafen Zürich behält seine Dividende zurück. (Urs Jaudas)

Auch auf der Strasse nahm der Verkehr ab und damit auch die Einnahmen dank Autobahnraststätten. An diesen verdient der Kanton jeweils mit. Die zuständige Direktion schätzt den Rückgang auf 200’000–300’000 Franken. Ebenfalls wird der kantonale Anteil an den Schwerverkehrsabgaben, welche Lastwagen entrichten müssen, geringer ausfallen. Zahlen sind noch nicht bekannt.

Richtig einschenken – und den grössten Schwankungen unterworfen – wird der Rückgang der Kantonssteuern. Die Dimensionen: gewaltig.

1180.2 Mio.

Geschlossene Restaurants, Auftragsstornierungen, Kurzarbeit – die Wirtschaft hat massiv gelitten. Das wird sich auch auf der Steuerrechnung 2020 zeigen. Die Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich rechnet schweizweit mit einem Rückgang der Einkommenssteuer für natürliche Personen um 10 Prozent. Die Gewinnsteuer für Unternehmen könnte gar um die Hälfte zurückgehen. Auf Anfrage teilt die KOF mit, dass sie auch für den Kanton Zürich mit dieser Grössenordnung rechnet.

In Zahlen ausgedrückt: 910 Millionen Franken weniger Steuereinnahmen. Zum Vergleich: Im letzten Jahr Betrugen die Steuereinnahmen etwa 7,8 Milliarden Franken.

Die Schätzungen der KOF sind grob, der Streubereich gross. Nach dem besten Szenario gerechnet, gehen die Steuern «nur» um etwa 580 Millionen Franken zurück. Im Worst Case könnten 1,2 Milliarden in Zürichs Finanzen fehlen.

Immerhin fällt dieser Betrag nicht auf einmal an, denn die provisorische Steuerrechnung für dieses Jahr wurde anhand des Corona-freien letzten Jahres berechnet. Damit erhält der Kanton vorerst zu viele Steuern, die er nach und nach zurückzahlen kann.

Garantien
Der Kantonsrat behandelte das Coronavirus nicht nur mit sofortigen Geldspritzen, er erleichterte Unternehmen auch den Zugang zu Krediten. Zwar geben nach wie vor Banken das Geld aus, der Bund wie auch der Kanton bürgen aber für allfällige Verluste. Diese Garantien belasten das Kantonsbudget nur, wenn Unternehmen zahlungsunfähig werden.
1350.2 Mio.
Spitäler etwa sollen nebst sofortigen Finanzmitteln auch leichter zu Geld kommen. Dafür deckt der Kanton Darlehen über 170 Millionen Franken.
1775.2 Mio.
Auch Unternehmen sollen schnelles Geld erhalten, dafür wurde eine Kreditausfallgarantie über 425 Millionen gesprochen, ergänzend zu der Kreditgarantie des Bundes. Bis jetzt (Stand 17. Juni) wurden Kredite über 33,5 Millionen Franken bezogen. Ob der Kanton bereits seiner Bürgpflicht nachkommen musste, ist nicht bekannt.
Zusätzliche Plätze in der Notaufnahme wie hier im Inselspital Bern drücken Spitälern aufs Budget. (Adrian Moser)
Die verschiedenen Hilfspakete summieren sich zwar zu einem ordentlichen Betrag, am meisten belasten wird Zürichs Finanzen jedoch der Rückgang der Steuern. Bekannt wird dieser erst im nächsten Jahr. Nicht berücksichtigt in dieser Übersicht ist die Kurzarbeitsentschädigung. Diese organisiert zwar der Kanton, finanziert werden die Entschädigungen jedoch über den Bundeshaushalt.