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Leben im Zürichsee

Unter der Wasseroberfläche versteckt sich ein komplexes Ökosystem. Tauchen Sie ab in die Tiefen unseres Sees.
Martina Regli, Simon Huwiler
Tiefe: X Meter

Die Vielgenannte

Laube

Dieser kleine Fisch trägt viele Namen. Laube, Läugel, Silberfisch oder Ukelei sind nur einige davon. Badegästen ist er wohl bekannt, denn der etwa 15 cm grosse Fisch treibt sich gerne in Schwärmen in Ufernähe umher.

Flüsse vor Seen

Hasel

Die Hasel findet man eher selten im Zürichsee. Der kleine Fisch bevorzugt Fliessgewässer vor Seen.

Die Schleimige

Schleie

Besonders an seichten Stellen trifft man diesen gelben Fisch an. Die Schleie ist wiederstandsfähig, Sauerstoffmangel oder abgestandenes Wasser macht ihr nichts aus. Herrschen extreme Wasserbedingungen, können Schleien gar in eine Kälte- oder Hitzestarre verfallen. Schleie sind mit einer Schleimschicht überzogen – daher rührt auch ihr Name.

Der Märchenhafte

Gründling

In Grimm-Märchen «Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen» landen Gründlinge im Bett des Protagonisten. Platz dafür bietet ein Bett reichlich, denn der Karpfenfisch hat auf einer ausgestreckten Hand Platz und wird gerade mal 100 Gramm schwer.

Burger statt Gräte

Alet

Der Alet oder Döbel ist ein friedfertiger Fisch, frisst aber alles, was ihm vor die Schnauze kommt. Wie andere Weissfische hat der Alet viele Gräten. Als Burger zubereitet soll er vorzüglich schmecken.

Die Gefiederte

Rotfeder

Die Rotfeder trägt ihre Federn in Form ihrer roten Flossen. Sie ist in Schwärmen unterwegs und eher in der Nähe der Wasseroberfläche anzutreffen.

Der Exot

Sonnenbarsch

Mit seinem farbenprächtigen Muster und den glitzernden Schuppen wirkt der Sonnenbarsch exotisch. Das ist er auch, denn im Zürichsee hat dieser Fisch eigentlich nichts zu suchen. Als Zierfisch aus Nordamerika eingeführt, ist er irgendwie in unseren Gewässern gelandet. Nun bedroht er den Lebensraum heimischer Fische.

Die Staubsaugerin

Brachsme

Die Brachsme oder Brachse durchwühlt wie ein Staubsauger den Grund. Dafür kann sie sogar ihr Maul herausstülpen. Mit 60 cm und drei Kilo Kampfgewicht scheint sie zwar ein guter Fang zu sein, auf dem Speisetisch galt der Fisch aber lange als minderwertig. Mittlerweile gibt es jedoch Berufsfischer, die sich auf den Fang und die Zubereitung der Brachsme spezialisiert haben.

Die Behaarte

Bartgrundel

Die Bartgrundel oder Schmerle trug schon Gesichtsbehaarung, als es noch nicht cool war. Sechs «Barteln» rund ums Maul geben ihr das typische Aussehen. Wenn sich abends die Langstrasse langsam füllt, wird auch die Bartgrundel aktiv. In ihren nächtlichen Streifzügen durchwandert sie besonders ufernahe Regionen – jedoch mehrheitlich in Fliessgewässern.

Die schlechte Schwimmerin

Groppe

Die Groppe hätte beim Schulschwimmen kein Abzeichen geholt, denn der kleine Fisch ist ein schlechter Schwimmer. Selbst kleine Hindernisse machen ihr Mühe. Grund für ihr Schwimmdefizit: Ihr fehlt die Schwimmblase, dank der Fische im Wasser schweben können.

Wo ist welcher Fisch positioniert?

Fische verharren nicht auf einer Tiefe. Selbst die Tieftaucher des Zürichsees gehen während ihrer Nahrungssuche an die Oberfläche. Die hier dargestellte Tiefe ist jene, in der sich der entsprechende Fisch oft aufhält, oder jene Tiefe, auf der er bei der letzten wissenschaftlichen Probefischung noch gefangen wurde.

Der oft Gesehene

Egli

Der Egli oder Flussbarsch fühlt sich wohl im Zürichsee. Bei der letzten Unterwasser-Volkszählung war er am meisten vertreten. Man erkennt ihn relativ leicht an seinen beiden Rückenflossen, wobei die Vordere deutliche Stacheln, sogenannte Stachelstrahlen, hat. Ein ausgewachsener Egli kann bis zu fünf Kilogramm und 60 cm lang werden. Nicht nur im See, auch auf dem Teller ist der Egli beliebt. Übrigens: Der Eglibestand reguliert sich selbst. Egli haben nämlich einen Hang zum Kannibalismus.

Die Bedrohte

Seeforelle

Der Seeforelle geht es nicht besonders gut, sie gilt als stark gefährdet. Um den Bestand zu sichern, betreibt der Kanton Besatzwirtschaft: An Seezuflüssen werden jährlich zwischen 300’000 und 800’000 Brütlinge ausgesetzt. Zusätzlich wird der Lebensraum der Seeforelle renaturiert. Interessanter Fakt: Wie der Lachs geht sie zum Laichen zurück in ihr Geburtsgewässer.

Der schnelle Jäger

Hecht

Im Zürichsee treiben mehrere Raubfische ihr Unwesen. Der Hecht ist einer der grössten, auch wenn ihm der Wels langsam den Rang abschwimmt. Der Hecht wird bis zu 1,5 Meter lang und 30 Kilogramm schwer. Trotz seines beachtlichen Kampfgewichts ist er ein schneller Jäger. Eine Überpopulation ist nicht zu erwarten, Hechte fressen sich bei Dichtestress nämlich gegenseitig auf.

Der nächtliche Jäger

Kaulbarsch

Wasserverschmutzung kann dem 15 cm langen Kaulbarsch nichts anhaben. Er bevorzugt sandigen, nährstoffreichen Grund und ernährt sich von Plankton, Mückenlarven, Würmern oder Fischlaich. Der Kaulbarsch ist sogar bei Nacht ein guter Jäger. Er erkennt die leichtesten Wasserbewegungen, welche seine Opfer erzeugen.

Der Grösste

Wels

Der Wels ist ein Zuzüger, der Rhein ist sein eigentliches Revier. Im Zürichsee scheint es ihm aber zu gefallen, in der Fangstatistik tritt er immer öfters auf. Der Wels ist der grösste reine Süsswasserfisch und im Zürichsee der König der Fische. Angler berichten von zwei Meter langen Tieren. Welse können nicht nur gross, sondern auch alt werden. Das älteste dokumentierte Tier starb im 80. Lebensjahr. Welse sind opportunistische Fresser: Was lebt, dient als Nahrung. Dazu gehört auch mal eine Taube oder ein Entenküken.

Die Anspruchslose

Rotauge

Die Schwal respektive das Rotauge ist oft im Zürichsee anzutreffen. Sie lebt in Schwärmen und ist relativ anspruchslos. Ihr Merkmal, wie ihr Name schon verrät, ist eine leuchtend rote Iris.

Der Gefährdete

Seesaibling

Die Seesaibling-Population im Zürichsee war nie besonders gross. Seesaiblinge laichen an tiefen, kiesig-felsigen Stellen – davon gibt es im See nicht viele. Der Sauerstoffmangel macht dem Fisch zusätzlich das Leben schwer. Er gilt als gefährdet, die Fischerei ist eingeschränkt. Der Kanton plant nun, künstliche Laichplätze für den Seesaibling zu erstellen.

Das Brot der Berufsfischer

Felchen

Felchen sind das Brot der Berufsfischer. 2018 etwa haben Berufsfischer alleine im Zürcher Teil des Zürichsees über 60 Tonnen gefangen. Die verschiedenen Felchenarten lassen sich nicht immer einfach unterscheiden. Wer Albeli oder Blaufelche in ihrem natürlichen Lebensraum begegnen möchte, muss lange die Luft anhalten können. Manche Felchen wurden in 80 Meter Tiefe gesichtet.

Die Tieftaucherin

Trüsche

Die Trüsche oder Quappe taucht tief, im Zürichsee einst bis über 100 Meter. Das hat sich geändert, der Sauerstoffmangel treibt Tieftaucher wie die Trüsche in höhere Wasserschichten. Beim letzten Probefischen wurden Tiere in 75 Meter Tiefe gefangen. Mit dem Aal ist die Trüsche trotz ihres lang gezogenen Körpers nicht verwandt.

Stabfisch

Der Stabfisch, im Volksbund liebevoll «Fischstäbchenfisch» genannt, lebt zurückgezogen in den Tiefen des Zürichsees. Zu klein, um in den Netzen der Fischer gefangen zu werden, fristet er ein unbeschwertes Dasein. Seine Form diente in den 60er-Jahren als Inspiration für die berühmten Fischstäbchen.

Tote Zone

Ab hier lebt kaum noch etwas, die Sauerstoffsättigung ist in dieser Tiefe zu gering für grössere Lebewesen. Wegen der Klimaerwärmung steigt diese tote Zone sogar an.
Wasser ist bei vier Grad am schwersten und sinkt. Daher beträgt die Wassertemperatur in tieferen Schichten konstant vier Grad. Heizt sich die Wasseroberfläche im Sommer auf, verhalten sich diese wärmeren Schichten wie Barrieren: Warmes Wasser bleibt oben, kaltes unten. Eine Durchmischung findet nicht statt. Sinkt nun im Winter die Oberflächentemperatur und wehen zusätzlich starke Winde, verringern sich die Temperaturunterschiede zwischen den Wasserschichten. Der See beginnt sich zu durchmischen und mit Sauerstoff anzureichern. Da Winter jedoch wärmer werden, findet dieser Vorgang seltener statt.
Bald geschafft, der Grund – und seine Geheimnisse – kommen näher.
Nur noch ein wenig tiefer tauchen, um den tiefsten Punkt im Zürichsee zu erreichen. Er liegt übrigens zwischen Herrliberg und Oberrieden.
Der Grund wurde übrigens schon als Mülldeponie verwendet.

Grund – Munition

Sie haben den tiefsten Punkt im Zürichsee erreicht. In 136 Meter Tiefe findet sich nicht mehr viel – ausser Munition. Nach dem Zweiten Weltkrieg war man nicht gerade zimperlich, als es ums Entsorgen ging. Fliegerbomben, Granaten und Patronen warf man an den tiefsten Stellen des Sees ins Wasser. Dieses explosive Material ist mittlerweile unter einer etwa 10 bis 20 Zentimeter dünnen Sedimentschicht begraben. Gefahr besteht laut Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft hingegen weder für Mensch noch Fisch.
Munition