Stellen Sie sich vor, die Schweiz erhält bis im Sommer mehrere Millionen Dosen mit Impfstoff gegen das Coronavirus. Und dann... bleibt sie darauf sitzen. Ein durchaus realistisches Szenario, denn die Skepsis im Land ist gross. Dies, obwohl die Impfungen hochwirksam, freiwillig und kostenlos sind und bisher nur geringe Nebenwirkungen festgestellt wurden.
Auf die Frage, warum sie sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen, meldeten sich in den letzten Tagen Dutzende Leserinnen und Leser. Eine Auswahl ihrer Argumente haben wir Claire-Anne Siegrist vorgelegt.
Siegrist ist Professorin für Vakzinologie an der Universität Genf. Die Schweizerin berät die WHO in Impffragen, leitete unter anderem auch eine Studie zur Entwicklung des Ebola-Impfstoffs. Von 2004 bis 2014 präsidierte Siegrist die Eidgenössische Kommission für Impffragen.
Ein grosser Teil der Schweizer Bevölkerung steht der Corona-Impfung skeptisch gegenüber. So zeigte eine repräsentative Tamedia-Umfrage von Ende November, dass sich 42 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer nicht oder eher nicht gegen Corona impfen lassen wollen. Politisch gesehen ist die Impfskepsis unter den Anhängern der SVP am grössten: 53 Prozent der SVP-Anhänger wollen sich nicht oder eher nicht impfen lassen. Leicht überdurchschnittlich die Skepsis aber auch bei den Grünen: Von ihnen wollen sich 45 Prozent nicht oder eher nicht impfen lassen. Eine ebenfalls im November veröffentlichte, genauso repräsentative Umfrage des Bundesamts für Gesundheit kam überdies zum überraschenden Befund, dass die Bereitschaft der Schweizerinnen und Schweizer, sich gegen das Coronavirus zu impfen, zwischen März und Oktober 2020 um zehn Prozent gesunken ist.
Bis Ende Monat sollten alle Kantone mit Impfungen gegen das Coronavirus begonnen haben. Basel hat am 28. Dezember damit begonnen, Zürich am 4. Januar, die ersten Bernerinnen und Berner werden am 11. Januar geimpft. Die Schweiz hat Impfstoffe der Firmen Astra-Zeneca, Moderna und Pfizer/Biontech bestellt. Letzterer ist als bisher einziger im Einsatz, die Heilmittelbehörde Swissmedic hat ihn im Dezember zugelassen. Das Biontech-Vakzin setzt auf die neuartige mRNA-Technologie. Der Impfstoff von Biontech bietet einen 95-prozentigen Schutz für die Geimpften. Der Bund hat 3 Millionen Impfdosen davon bestellt. Vom Stoff von Astra-Zeneca hat die Schweiz rund 5, vom Stoff von Moderna gut 4.5 Millionen Dosen geordert. Diese beiden Impfstoffe dürften in der Schweiz bald zugelassen werden. Der Moderna-Impfstoff, der in den USA bereits gespritzt wird, basiert ebenfalls auf der mRNA-Technologie und bietet einen gleich guten Schutz wie jener von Biontech. Beim Impfstoff von Astra-Zeneca wird die Immunabwehr über ein modifiziertes Schimpansen-Schnupfenvirus aktiviert. Dieses Vakzin lässt sich leichter lagern als die beiden anderen Stoffe, schützt jedoch nur mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit vor einer Covid-Erkrankung. In Grossbritannien ist es seit Anfang Jahr im Einsatz.