Was ist nur mit diesem Sommer los? Bisher zeigte sich die schönste Jahreszeit vor allem von ihrer hässlichen Seite. Warm und sonnig war es selten, dafür stürmte es umso häufiger. Im Juli gab es immer wieder Unwetter und im Juni hagelte es gar so oft und stark wie selten. Schweizweit wurden damals 13 Hageltage gezählt – nur vier Monate in der knapp 20-jährigen Messreihe von Meteo Schweiz kamen auf mehr.
Die Daten zeigen, dass die Anzahl Hageltage aufgrund der Wetterlagen von Jahr zu Jahr beträchtlich schwankt. Regional lassen sich dennoch klare Muster erkennen: So hagelt es in Gebirgsregionen wie dem Wallis und Graubünden selten. Vergleichsweise häufig heimgesucht werden dafür das Südtessin, die Gebiete entlang des Juras und das zentrale Mittelland entlang der Voralpen – besonders die Napfregion sowie das angrenzende Emmental und Entlebuch.
Hotspots sind die Gemeinden Canobbio, Mezzovico und Porza im Sottoceneri. Hier hagelt es im Durchschnitt fast dreimal pro Jahr. Auf den ersten 40 Plätzen der Rangliste liegen nur Tessiner Gemeinden. Im krassen Gegensatz dazu gibt es inneralpine Orte, an denen seit 2002 noch kein einziger Hageltag registriert wurde. Etliche Gemeinden im Oberengadin sind praktisch nie betroffen. Am Ende der Rangliste liegen die Walliser Gemeinden Saas-Fee, Eisten, Täsch und Randa.
Grundsätzlich ist Hagel aber ein Wetterphänomen, das hierzulande regelmässig auftritt. Seit Messbeginn 2002 wurden in jedem Sommerhalbjahr (April bis September) durchschnittlich 33 Tage gezählt, an denen schweizweit eine Fläche von mindestens hundert Quadratkilometern von Hagel betroffen war.
Entscheidend ist natürlich nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Grösse der Hagelkörner. Solche mit weniger als 2 Zentimetern Durchmesser gibt es fast in der ganzen Schweiz regelmässig. Sie setzen Gärten und Pflanzen bereits gewaltig zu. Der Landwirtschaft entstehen durchschnittlich Schäden in Höhe von rund 65 Millionen Franken pro Jahr. Heuer wurde diese Summe allein zwischen Anfang Juni und Mitte Juli erreicht, wie die Schweizerische Hagel-Versicherung schreibt.
Sind die Körner grösser als 2 Zentimeter, können sie Autos beschädigen. Ihr Durchmesser entspricht dann einem Einfränkler. Hagelkörner von 4 Zentimetern sind so gross wie ein Golfball, können Fassaden demolieren, Scheiben und Dachziegel zerschlagen, aber auch Tiere und Menschen gefährden.
Körner, die mit 6 Zentimetern fast die Grösse eines Tennisballs erreichen, sorgen für noch mehr Zerstörung. Das war diesen Juni im zentralen Mittelland verbreitet der Fall. In der Luzerner Gemeinde Wolhusen, die an die häufig betroffene Entlebuch-Region grenzt, beschädigten Tennisball-grosse Hagelkörner Hunderte Dächer und Autos. Die Gebäudeversicherung schätzte den Schaden auf rund 150 Millionen Franken. Mehrere Personen wurden verletzt.
Solch ein extremes Ereignis ist zum Glück selten. Gewitter mit Hagelkörnern, die mindestens den Durchmesser eines Einfränklers haben, gibt es durchschnittlich aber rund 32-mal pro Jahr in der Schweiz. Auch Golfball-Körner sind etwa 29-mal zu erwarten. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses ist allerdings nicht überall gleich gross. Dort, wo Hagel häufiger auftritt, fallen auch eher grosse Körner vom Himmel.
Drei Viertel aller Schweizer Gemeinden müssen innerhalb von zehn Jahren mindestens einmal mit Körnern rechnen, die grösser sind als ein Golfball. Hagel mit 5 Zentimetern Durchmesser droht jedoch nur etwa 16 Prozent der Gemeinden, beispielsweise Langnau im Emmental. In lediglich zwei Gemeinden, Lugano und Gambarogno, werden im selben Zeitraum 5,5 Zentimeter grosse Körner erwartet.
Mit zunehmender Hagelkorngrösse steigt natürlich das Schadenausmass. Gleichzeitig gilt: Je grösser die Körner, desto seltener ihr Auftreten. Trotzdem verursachen Hagelstürme jedes Jahr Schäden in Millionenhöhe. Sie stellen somit eines der grössten Naturrisiken der Schweiz dar. Das zeigt sich 2021 wieder eindrücklich.
Erst ab Oktober, wenn das Winterhalbjahr beginnt, ist wieder seltener mit dem Hagel zu rechnen. Das liegt daran, dass im Sommer häufiger Gewitterwolken auftreten, in denen sich Hagelkörner bilden können. Eine Voraussetzung für ihre Entstehung sind hohe Temperaturunterschiede in der Atmosphäre. So gefrieren Regentropfen, die durch starke Aufwinde in einer Gewitterwolke nach oben geweht werden, zu Eiskörnern. Durch mehrfaches Auf und Ab in der Gewitterwolke können mächtige Hagelbälle entstehen.
Am häufigsten tritt dieses Wetterphänomen von Juni bis August auf. In den kommenden Wochen könnte es also noch ein paarmal Eis vom Himmel regnen. Schon die nächste kräftige Gewitterlage birgt wieder Gefahr.