Der Hals kratzt, die Nase läuft. Man fühlt sich schlapp und muss ständig niesen. Ist das nur Heuschnupfen oder etwa doch eine Corona-Infektion? Diese Frage stellen sich momentan viele Schweizerinnen und Schweizer, denn mehr als 20 Prozent der Bevölkerung haben eine Pollenallergie – und die erste heftige Phase der Heuschnupfen-Saison steht kurz bevor. Wir zeigen, was Allergiker jetzt wissen müssen:
Die Saison dauert fast das ganze Jahr. Aus der Vielzahl der in der Luft enthaltenen Pollen sind allerdings nur einige von Bedeutung: Hasel und Erle Anfang Jahr, Esche und Birke im Frühling, Gräser im Frühsommer und Sommer sowie Beifuss im Spätsommer. Diese Pflanzen sind für über 90 Prozent der Allergien verantwortlich. Die meisten Betroffenen reagieren nicht nur auf eine Pollenart, sondern auch auf solche von verwandten Pflanzen.
Im Tessin, wo es wärmer ist, fliegen die Pollen meist etwas früher als auf der Alpennordseite. Dieses Jahr blühte die Hasel in Locarno und Lugano schon um den 11. Januar. Im Mittelland war dies vielerorts erst Anfang Februar der Fall, wie die Pollenmessungen des Allergiezentrums Schweiz zeigen. Dieser Saisonstart liege etwa im Mittel, sagt Regula Gehrig, Phänologin bei Meteo Schweiz. «Wegen des warmen und trockenen Wetters im Februar gab es aber aussergewöhnlich viele Tage mit starker Haselpollenbelastung.»
Die erste wirklich heftige Phase der Heuschnupfen-Saison steht unmittelbar bevor: Birkenpollen sorgen neben Gräsern am häufigsten für starke allergische Reaktionen. Je nach Standort beginnen sie Ende März oder Anfang April durch die Luft zu fliegen. Ein genaues Datum zu bestimmen, ist schwierig, weil der Pollenflug vom Wetter abhängig ist und sich auch von Jahr zu Jahr ändert. «Bäume haben teilweise einen Zweijahres-Rhythmus», erklärt Gehrig, «es ist gut möglich, dass diese Saison schwächer ausfällt als die letzte, die sehr stark war.»
Ja, bei einer hohen Pollenkonzentration in der Luft steigt die Gefahr einer Ansteckung mit Sars-CoV-2. Das hat kürzlich ein internationales Team unter Leitung der Technischen Universität München herausgefunden. Die 154 Forschenden analysierten für die breit angelegte Studie im letzten Frühjahr Daten von 130 Messstationen in 31 Ländern auf fünf verschiedenen Kontinenten. Dort, wo der Pollenflug stark war, stiegen auch die Infektionszahlen.
Die Forscher berücksichtigten auch demografische Faktoren und Umweltbedingungen, darunter Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Bevölkerungsdichte und die Wirkung von Lockdowns. In untersuchten Gebieten mit Lockdown-Regeln halbierte sich die Zahl der Corona-Ansteckungen im Schnitt bei vergleichbarer Pollenkonzentration in der Luft. Die täglichen Infektionsraten korrelierten aber überall mit der Pollenzahl.
Die Erklärung laut den Forschern: Wenn Pollen fliegen, reagiert die Körperabwehr in abgeschwächter Form auf Viren der Atemwege. Der Körper produziert dann weniger sogenannter Interferone, Proteine mit antiviraler Wirkung. Das beeinflusst auch die Entzündungsreaktion und kann das Risiko von Atemwegserkrankungen erhöhen – unabhängig davon, ob Betroffene an Allergien gegenüber diesen Pollen leiden oder nicht.
Die Symptome von Covid-19 und einer Pollenallergie ähneln sich teilweise. «Müdigkeit und ein allgemeines Unwohlsein können bei beiden auftreten und sind kein eindeutiges Anzeichen», sagt Sereina de Zordo vom Allergiezentrum Schweiz. Auch Schnupfen könne in beiden Fällen vorkommen, sei aber häufiger eine allergische Reaktion. Durch die laufende oder verstopfte Nase ist es auch möglich, dass man schlechter riecht. Ein plötzlicher Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns deutet jedoch klar auf Covid-19 hin.
Bei einer Corona-Infektion ist zudem die Temperatur häufig erhöht. Eine Pollenallergie verursacht hingegen kein Fieber, auch wenn der Heuschnupfen auf Englisch «hay fever» heisst. Betroffene fühlen sich nicht wirklich krank. «Ein klassisches Symptom einer Pollenallergie ist dafür der Juckreiz im Gaumen, in den Ohren und der Nase», sagt de Zordo. «Es treten auch häufig Niesattacken auf. Die Augen sind gerötet und beissen. Das alles ist untypisch für Covid-19.»
Symptome | Pollenallergie | Covid-19 |
---|---|---|
Juckreiz in Gaumen, Nase | häufig | nie |
Juckende, brennende Augen | häufig | nie |
Niesen | häufig | selten |
Schnupfen | häufig | manchmal |
Müdigkeit | manchmal | manchmal |
Kopfschmerzen | selten | manchmal |
Trockener Husten | selten | häufig |
Atemnot | nie | manchmal |
Gliederschmerzen | nie | manchmal |
Geruchs- oder Geschmacksverlust | nie | häufig |
Fieber | nie | häufig |
Quellen: Allergiezentrum Schweiz, WHO, CDC
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen gewöhnlichem Heuschnupfen und allergischem Asthma. Dieses kann sich bei ungefähr einem Drittel der Betroffenen entwickeln, wenn die Pollenallergie nicht richtig behandelt wird. Dann weiten sich die Beschwerden von den oberen (Nasen-Rachen-Raum) auf die unteren Atemwege (Bronchien, Lungen) aus: ein sogenannter Etagenwechsel. Es kommt zu Hustenanfällen, einem Engegefühl in der Brust oder sogar zu Atemnot, wie sie auch bei Covid-19 häufig auftritt.
Permanenter, trockener Reizhusten trete eigentlich nur bei allergischem Asthma auf, sagt de Zordo, auch wenn manche Heuschnupfen-Geplagte wegen des Kratzens im Hals ab und zu husten müssten. Im Unterschied zu Covid-19 seien die Symptome nicht anhaltend, sondern würden eher in Schüben kommen. «Wer aber unsicher ist, soll sich besser testen lassen und eine Ärztin oder einen Arzt konsultieren.»
Wer Heuschnupfen oder saisonales Asthma hat, der gehört laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) nicht zur Risikogruppe. Sereina de Zordo vom Allergiezentrum Schweiz teilt diese Einschätzung, weist aber auf schweres Asthma als Ausnahme hin. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ist davon betroffen: Schätzungsweise 6000 Menschen leiden das ganze Jahr unter schwerem Asthma.
Sie zählen laut dem BAG zur Risikogruppe, genauso wie ältere Menschen (weil die Gefahr für einen schweren Verlauf mit zunehmendem Alter steigt), schwangere Frauen und Erwachsene mit einer der folgenden Vorerkrankung:
Personen mit allergischem Asthma oder einfach gewöhnlichem Heuschnupfen sind nicht besonders gefährdet. Gemäss dem Allergiezentrum ist kein Zusammenhang bekannt zwischen einer bestehenden Allergie und dem Auftreten oder Schweregrad einer Covid-Erkrankung. Zudem gibt es derzeit keine Hinweise, dass die Einnahme von Medikamenten gegen Allergien und Asthma (Antihistaminika, Kortisonpräparate) das Risiko erhöht.
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor einem Jahr gehören Masken zum Alltag in der Schweiz. Sie schützen vor Sars-CoV-2, Grippeviren – aber auch vor Pollen. Das bestätigte kürzlich Arthur Helbling, Leiter der Allergologisch-Immunologischen Poliklinik am Inselspital Bern, gegenüber dem Allergiezentrum: «Masken sind selbst für die kleinsten Pollen nicht durchlässig.»
Pollenkörner sind zwar nach Form und Oberflächenstruktur sehr vielgestaltig, aber in der Regel zwischen 10 und 100 Mikrometer gross und können so die Textilschichten von Masken nicht durchdringen. Die medizinische oder chirurgische Maske, die man auf der Strasse oft sieht (meist hellblau), filtert Partikel ab einem Durchmesser von 3 Mikrometern. Geprüfte Textilmasken, welche die Anforderungen der Schweizer Covid-Taskforce erfüllen, halten Partikel bis zu 1 Mikrometer ab und Atemschutzmasken sogar solche mit einem Durchmesser von 0,3 Mikrometern.
Alle geprüften Masken fangen also Blütenpollen ab. «Diese erreichen die Schleimhäute nicht mehr. In den meisten Fällen werden dadurch Symptome wie eine laufende Nase, Juckreiz im Mund oder Niesen deutlich gemildert», sagt Helbling. «Masken zu tragen, kann das Virus und die Pollen gleichermassen von den Atemwegen fernhalten», bestätigt auch Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin an der Technischen Universität München.
Keine Hilfe sind Masken natürlich gegen juckende oder gerötete Augen. Hier helfen nur Tropfen zur Linderung. Auch das Niesen kann zum Problem werden. Denn wenn eine Maske feucht wird, bietet sie kaum mehr Schutz, weder vor Pollen noch vor Viren. Wer trotz Maske häufig niesen muss, sollte diese regelmässig wechseln, wenn nötig mehrmals am Tag.
Ja, die Impfung ist laut dem Allergiezentrum bei fast allen Allergien problemlos möglich – auch bei Heuschnupfen und saisonalem Asthma. Eine vorgängige Abklärung brauchen Personen, die mal mit schweren allergischen Symptomen, zum Beispiel einem Kollaps, auf einen unbekannten Auslöser reagiert haben. Ebenfalls Vorsicht geboten ist bei chronischem Nesselfieber, einer Mastozytose, einem Mastzellaktivierungssyndrom oder wenn die Serum-Werte des Botenstoffs Tryptase erhöht sind. Betroffene dieser seltenen Erkrankungen wissen aber in den meisten Fällen darüber Bescheid.
Wie bei allen Medikamenten und Impfungen, beispielsweise gegen die Grippe, können auch bei den Covid-Impfungen Nebenwirkungen auftreten, wie die Arzneimittelbehörde Swissmedic schreibt: beispielsweise Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopf- und Muskelschmerzen oder Schüttelfrost. In ganz seltenen Fällen ist es mit den beiden Vakzinen, die auch in der Schweiz zum Einsatz kommen, bisher zu einer anaphylaktischen beziehungsweise starken allergischen Reaktion gekommen: Bei Pfizer/Biontech gab es 1,1 solche Fälle pro 100'000 Impfungen, bei Moderna 0,25 Fälle pro 100'000.
«Heuschnupfen und Asthma stellen kein Hindernis für die Impfung dar.»
Arzneimittelbehörde Swissmedic
Sollten auch in der Schweiz solche Einzelfälle auftreten, wären die Impfzentren dafür gut gerüstet: Adrenalin, Antihistaminika, Kortison und Sprays gegen Atemnot gehören zur Grundausrüstung. Zudem steht jede Person nach der Injektion während 15 Minuten unter Beobachtung, um schwere allergische Reaktionen, die praktisch immer sofort auftreten, gut behandeln zu können.
Um Komplikationen zu verhindern, dürfen sich Personen mit einer bekannten Allergie auf einen Bestandteil eines Covid-Vakzins nicht impfen lassen. Heuschnupfen und Asthma würden aber keine Kontraindikation für die Impfung darstellen, macht Swissmedic ebenfalls deutlich.